„Und hierfür haben sie uns Unterkunftskosten berechnet!“

(Video auf Youtube)

Die Erntearbeiter*innen des Spargel- und Erdbeerhofes Ritter werden seit etlichen Jahren hinter der Umzäunung einer Containeranlage auf der Straße „Am Ühlchen“ in Bornheim untergebracht. Diese zweistöckigen Wohnblocks bestehen pro Etage aus jeweils rund 30 Schlafräumen, wenigen Dusch- und Toiletteneinheiten, einem Lagerraum und einem Wasch- und Trockenraum. Drei solcher Blocks stehen auf dem Gelände, eingeklemmt zwischen einer Bahnlinie und einer Wasseraufbereitungsanlage.

Von 2015 bis Mai 2016 wurden Teile der bestehenden Containeranlage von der Stadt Bornheim zur Unterbringung von Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan, Iran und Albanien angemietet. Der Zustand der Räumlichkeiten war zu diesem Zeitpunkt insgesamt schon so schlecht, dass Sozialdezernent Markus Schnapka dem General-Anzeiger für Bonn erklärte: „diese Unterkünfte entsprechen ganz und gar nicht dem, was für uns Standard ist, sie sind nur als Übergangslösung akzeptabel“. Die Stadt ließ seinerzeit dann einen Teil der Anlage, die sie von Ritter zu einem hohen Mietzins angemietet hatte (monatlich 15,53 € pro m2 Grundgebühr plus 5,07 € pro m2 Verbrauchsgebühr), auf eigene Kosten renovieren und erweitern. Dazu gehörte u. a. dass die ungeheizten Container vorübergehend mit Heizmöglichkeiten für den Winter ausgestattet wurden und die maroden sanitären Einrichtungen komplett erneuert wurden.

Nachdem die Geflüchteten ab 2016 in andere Einrichtungen verlegt worden waren, wurden die Containeranlagen wieder als Unterkünfte für Erntearbeiter*innen auf den Feldern der Claus und Sabine Ritter GbR genutzt. Für diese galt scheinbar nie, was für die Stadt Bornheim Standard ist. Binnen weniger Monate waren die auf Kosten der Stadt renovierten Anlagen durch mangelnde Instandhaltung und die hohe Belegung wieder im vorgefundenen Zustand.

Im Verlauf des am 15. Mai 2020 begonnenen Streiks der Arbeiter*innen forderte die FAU vom Betreiber des Spargel- und Erdbeerhofes den Zutritt zur Unterbringung ihrer Gewerkschaftsmitglieder. Dieser wurde ihr mit der Begründung verweigert, es handele sich nicht um Betriebsgelände. Faktisch leben die Arbeiter*innen wie in einem Gefängnis, abgeschirmt von einer Security, die keinerlei Besuche hineinlässt und die Arbeiter*innen daran hindert, Freunde oder Bekannte in ihren Wohnräumen zu empfangen. Die ganze Situation erinnert an die berüchtigten Wohnheime der Wanderarbeiter*innen in China, in denen sie auf den Fabrikgeländen eingesperrt werden, um sie zu kontrollieren und jeden Widerstand zu verhindern.

In Bornheim werden die Erntearbeiter*innen von dieser abgeriegelten und bewachten Unterkunft mit ausgedienten Linienbussen zur Arbeit auf den Feldern abgeholt und wieder zurückgebracht. Sie können zwar in ihrer Freizeit die Unterkunft verlassen und da viele von ihnen mit dem eigenen PKW angereist sind, fahren auch viele zum Einkaufen aus dem Lager heraus. Aber am Ort ihrer Unterbringung während ihrer Arbeit in Deutschland haben sie keine Möglichkeit, gesellige Abende oder Grillfeste zusammen mit Menschen von außerhalb zu veranstalten. Faktisch pendeln sie so von der Arbeit auf den Feldern, wo sie von Aufsehern und Vorarbeitern überwacht und angetrieben werden, zu einer knastähnlichen Unterkunft, wo ihnen die Security am Tor ständig ihre strikte Abtrennung von der hiesigen Gesellschaft vor Augen führt. Es ist ein rassistisches Lager- und Arbeitsregime, auf dem die Produktion von Spargel und Erdbeeren in Deutschland beruht.

Um den Zustand ihrer Unterkünfte zu dokumentieren, haben Arbeiter*innen von Spargel Ritter sie mit einem Video-Clip (Youtube) sichtbar gemacht. Was auf diesen Bildern zu sehen ist, macht schnell deutlich, warum die Zustände offenbar nicht überprüft werden oder an die Öffentlichkeit gelangen sollten. Ein Blick in die Wohn- und Schlafräume zeigt die ganze Problematik der Unterbringung der Erntearbeiter*innen auf.

Der Mietvertrag, den die Arbeiter*innen mit der Claus und Sabine Ritter GbR abgeschlossen haben, sichert eine Wohnungsgröße von 15 qm und eine Mitnutzung von Gemeinschaftseinrichtungen zu. Dies entspricht in etwa der Größe der einzelnen Wohn- bzw. Schlafräume in der Container-Anlage von 14,2 qm. Jedem Arbeiter bzw. jeder Arbeiterin steht laut Mietvertrag demnach einer dieser Räume zu. In der Anlage mit ihren 3 Blöcken gibt es rund 150 solcher Zimmer.

Nun arbeiten aber deutlich mehr rumänische Arbeiter*innen in den Folientunneln des Spargel- und Erdbeerhofes Ritter und diese sind alle Mieter*innen in der Containeranlage. Das führt dazu, dass sich mehrere von ihnen einen Raum teilen müssen, man ihnen aber dennoch die Miete für ein ganzes Zimmer vom Lohn abzieht. Für den Betreiber ein glänzendes Geschäft, denn er kassiert gleich mehrfach, ohne die entsprechende Leistung zu erbringen.

Neben dem Verstoß gegen die vertraglich zugesicherte Größe der Wohnung bei vollem Mietzins, gibt es jedoch auch noch gesetzliche Vorschriften, die von der Claus und Sabine Ritter GbR offenbar nicht beachtet werden. Selbst für Gefängniszellen mit Doppelbelegung gilt in Deutschland ein Mindeststandard von 7 Quadratmetern pro Person. Die Arbeitsstättenregel sieht bei weniger als 6 Personen einen Mindeststandard von 8 Quadratmetern pro Person vor. In seinen Richtlinien für „Verpflegung und Unterkunft für Saisonarbeitskräfte“ verweist der Zoll auf die „Richtlinien für die Unterkünfte ausländischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland vom 29. März 1971“, nach denen ebenfalls pro Person mindestens 8 qm zur Verfügung stehen müssen.

Wie ein Grundriss der Wohn- und Schlafräume in solchen Container-Anlagen zeigt, haben die normalen Schlafräume für zwei Personen eine Größe von 14,2 Quadratmetern, also weniger als 8 qm pro Person. Im Video ist zu erkennen, dass es außerdem Doppelzimmer gibt, in denen die Arbeiter*innen in Stockbetten schlafen. Sie berichten, dass in solchen Zimmern teilweise bis zu 5 oder 6 Personen übernachtet haben, was eine Grundfläche pro Person von deutlich unter 8 qm bedeutet. Selbst die minimalsten Anforderungen an eine Unterbringung von 1971, die aus einer Zeit der rassistischen Politik einer „Anwerbung von Gastarbeitern“ stammen und auf die sich der Staat noch heute beruft, werden hier also nicht eingehalten.

Da viele der provisorisch nachgerüsteten Heizmöglichkeiten defekt waren, mussten sich die Arbeiter*innen selbst Heizlüfter besorgen, um die noch empfindlich kalten Nächte im April und Anfang Mai zu überstehen.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Aufnahmen mitten in der COVID19-Pandemie entstanden sind. Selbst eine Belegung der nur etwas über zwei Meter breiten Räume mit nur zwei Personen würde in dieser Situation ein deutlich zu großes Infektionsrisiko darstellen und ist damit ein eklatanter Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz. Von den tatsächlichen Belegungen einmal ganz zu schweigen. Infektionsschutz für Arbeiter*innen scheint auf dem Spargel- und Erdbeerhof Ritter nicht besonders weit oben auf der Prioritätenliste zu stehen.

Auch die Sanitäranlagen sind in einem offensichtlich miserablen Zustand, obwohl sie vor dem Besuch der rumänischen Arbeitsministerin Violeta Alexandru am 20. Mai 2020 im Containerlager noch schnell etwas auf Vordermann gebracht worden waren. Statt einer zentralen Warmwasserversorgung oder Durchlauferhitzern sehen wir einen kleinen Untertischboiler für ein Waschbecken und Warmwasserboiler für die Duschen, die nur einen begrenzten Inhalt haben. Viele der Toiletten sind nicht betriebsbereit und werden nicht instand gesetzt.

Wie die Kamerafahrt durch die Etagen zeigt, besteht der Gang in der oberen Etage aus einem Gitterrost, durch den aller Dreck nach unten fällt auch dies ein Verstoß gegen die Richtlinien des Zolls, die verlangen, dass Fußböden einen fußwarmen Belag haben müssen. Bei einer Begehung des Gesundheitsamtes war dies beanstandet worden, aber die Firma hatte sich damit herausgeredet, dass der Umbau zwei Wochen in Anspruch nehmen würde. Der Durchblick durch das Gitterrost in die obere Etage verstärkt noch den Eindruck einer Unterbringung wie in einem Gefängnis.

Video auf Youtube

[ssba]

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